Bericht über die Fortbildungsveranstaltung am 27.10.2023 im Bayerischen Landesamt für Umwelt, Augsburg zum Thema:
Durchflussmessungen an Abwasseranlagen – Herausforderungen infolge der Vielfalt an Durchflussmesseinrichtungen
Die gut besuchte, gemeinsame Veranstaltung von LfU und VPSWas war die erste einer geplanten Reihe von Fortbildungsangeboten zum Thema „Kontrolle von Durchflussmesseinrichtungen in Abwasseranlagen“. Sie wurde vom Referat 65 des LfU und der Arbeitsgruppe Durchfluss im Verband Privater Sachverständiger in der Wasserwirtschaft geplant und durchgeführt.
Dr. Schütter eröffnete die Veranstaltung und verwies zunächst auf das Merkblatt 4.7/3 des LfU in dem Handlungsanweisungen für die Überprüfung von Durchflussmesseinrichtungen enthalten sind. Da das Merkblatt fortgeführt werden soll beschäftigt sich seit längerem ein Arbeitskreis mit den verschiedenen notwendigen Änderungen.
Die Vielfalt der Messeinrichtungen reicht vom einfachen Dreiecksmesswehr bis zu modernen elektronischen Prüfverfahren.
Die Darstellung der Prüfergebnisse war ein wichtiger Punkt der Diskussion zur Fortschreibung des Merkblattes da die Freigabe der Prüfergebnisse im Rahmen der Eigenüberwachung durch die Wasserwirtschaftsämter nachvollziehbare und allgemein verständliche Aussagen erfordert.
Präsident Udo Bosch, VPSWas, bedankte sich für die Einladung und die Nutzung des Veranstaltungsortes im LfU.
Er betonte die fachliche Bedeutung des Erfahrungsaustausches zwischen den Vertretern der Ämter und den „PSW Durchfluss“ und wünschte der weiteren Bearbeitung des Merkblattes viel Erfolg.
Herr Rüttinger, Anerkennungsstelle, Ref. 96, erläuterte die Entwicklung der Anzahl der privaten Sachverständigen in der Wasserwirtschaft.
Die Gesamtzahl der PSW beträgt derzeit 454. Davon sind 96 PSW für die EÜV anerkannt. Davon erhielten 68 PSW die Anerkennung für die Kontrolle von Durchflussmessanlagen. Im vergangenen Jahr wurden der Anerkennungsstelle 500 Ausarbeitungen im Bereich der Durchflussmessung gemeldet.
Er erläuterte die Anerkennungsstruktur wobei er auf die Bescheide verwies in denen ausdrücklich neben der Eigenüberwachung auch der Bereich Durchflussmessung angeführt wurde.
Rüttinger berichtete über einen Rückgang der Anzahl an PSW bei sehr schleppendem Zuwachs an Bewerbern und ging kurz auf die Anerkennungsvoraussetzungen ein: Der deutsche Qualifikationsrahmen sieht im Niveau der hier geforderten Berufsqualifikation 6 auch staatlich geprüfte Techniker vor. Bewerber mit einer solchen Qualifikation können damit in Verbindung mit einem Erfahrungsnachweis nach Ausbildung und Schulung als PSW anerkannt werden.
Ein besonderes Anliegen ist die Einhaltung der Pflichten des PSW, hier insbesondere die Unabhängigkeit gem. § 6 der Sachverständigenordnung Wasser.
Die Frage des Eingriffs in die Anlage durch den „PSW Durchfluss“ wie beispielsweise Änderung von Einstellungen, Nutzung von digitalen Ausgängen u.a. ist einzelfallabhängig zu bewerten.
Wenn der PSW Durchflussmessungseinrichtungen vertreibt oder einbaut dann ist dies keine Sachverständigentätigkeit (PSW). Auch ist es nicht Aufgabe des PSW, Fehler in der Anlage zu suchen bzw. Eingriffe in Anlagen vorzunehmen oder diese zu erneuern.
Stefan Helmenstein stellte verschiedene Durchflussmessverfahren vor und erläuterte verschiedenste Messeinrichtungen aus seiner Praxis. Dabei kamen auch Planungsfehler zur Sprache, die die hydraulischen Voraussetzungen der Messanlagen teilweise nicht berücksichtigten.
Er betonte, dass analoge Anzeigen für die Überprüfung von Durchflussmesseinrichtungen ungeeignet sind. Als Mindeststandard sollten daher digitale Anzeigen vorhanden sein.
Er beschäftigte sich in seinem Vortrag auch mit der Häufigkeit der Durchflüsse und erläuterte wie unterschiedliche Durchflüsse mit welchen Maßnahmen auf den jeweiligen Kläranlagen erzeugt werden können.
Als wichtigster Messbereich nannte er die Summenhäufigkeit der Durchflüsse der jeweiligen Kläranlage bei Trockenwetter. Dieser Durchflussbereich sollte jedenfalls bei der Kontrolle der Anlagen erreicht werden, da die häufigsten Durchflüsse im Trockenwetterbereich liegen und Grundlage für die Jahresschmutzwasserermittlung bilden.
Mario Heißinger berichtete über seine persönlichen Erfahrungen bei der Kontrolle und erläuterte seine Vorgehensweise.
So fertigt er beispielsweise für manche Anlagen Q/h-Kurven an. Anhand der Messergebnisse berechnet er entsprechende Tabellen zum Durchfluss wie er an Beispielen zeigte.
Bei seiner Kontrolltätigkeit stellte er häufig Abweichungen von den Herstellervorgaben im Hinblick auf Einbaubedingungen fest. Teilweise wurden Gerinneübergänge scharfkantig ausgebildet, was zu Rückströmungen führen kann und Messergebnisse erheblich verfälscht.
Im Rahmen der Datenkette simuliert er den Stromausgang in den Messwertumformern. Dieses Programm ist in den Umformern bereits hinterlegt. Insbesondere achtet er auf Impulswertigkeit und vergleicht die summierten Durchflussmengen.
Teilweise können Durchflüsse mittels Einsetzens einer Metallplatte unter den Ultraschallmessstrahl einer entsprechend arbeitenden Anlage simuliert werden. Dabei nutzt er stets Datenlogger die die jeweils erfassten Daten vom Prüfling einerseits und dem Prüfmittel andererseits erfassen und aufzeichnen.
Er wies auf den teilweise sehr hohen Aufwand wie Einsatz von Pumpen (z.B. in der Nachklärung) zur Bereitstellung der für ein aussagekräftiges Ergebnis notwendigen Durchflussmenge hin. Bei größeren Abwasseranlagen kann der erforderliche Aufwand für eine Kontrolle im Bereich mehrerer zehntausend Euro liegen.
Dr. Michael Kuhn erläuterte den wichtigsten Prüfbereich zur Ermittlung der Jahresschmutzwassermenge. Dieser Prüfbereich umfasst den Trockenwetterdurchfluss und ist anlagenspezifisch zu ermitteln.
Bei der Signalübertragung zwischen SPS und Prozessleitsystemspeicher kann es zu Problemen bei der Archivierung und Programmierung des gesamten Messerfassungssystems kommen.
Aus hydraulischer Sicht bemerkte er, dass manchmal Planungsfehler auftreten, die beispielsweise ein sehr breites Venturigerinne vorsehen anstatt ein dem Durchfluss angepasstes mit geringerer Sohlbreite. Damit entstehen hydraulische Radien (rhy = Fließquerschnitt/ benetzter Umfang), die zu deutlichen Messungenauigkeiten (geringe Wasserstandshöhe) führen können.
Er beschrieb die Probleme bei der Kontrolle von Anlagen mit großen Rohrdurchmessern beispielsweise DN 500 als Auslaufleitung in den Vorfluter. Der notwendige Durchfluss für eine Vollfüllung kann dabei vor Ort in der Regel nicht erreicht werden.
Ist dann noch eine Prüfung möglich?
Bei teilgefüllten magnetisch induktiven Durchflussmessgeräten treten häufig Strömungsprobleme auf. Sie sind daher fehleranfälliger als vollgefüllte Anlagen.
Er erläuterte die Bedeutung der Beschaffenheit der Anschlüsse zwischen Rohrleitung und MID. Dabei kommt es teilweise zu Sohlsprüngen (Absatz) die infolge turbulenter Strömung die Messung fehlerhaft beeinflussen.
Dr. Thomas Kraus wies auf die Möglichkeit der Anwendung volumetrischer Verfahren hin.
Er zeigte Beispiele, bei denen 3 MID´s mit einem Durchmesser von 1000 mm für die Durchflusskontrolle verwendet wurden. Dabei wurde ein Regenrückhaltebecken als Vorratsspeicher mit einem genau vermessenen Volumen verwendet und mit Hilfe der Füllstandsmessung die Durchflussmenge ermittelt.
Ab einer gewissen Größe der Rohrleitungen sind auch Clamp-on-Verfahren und Ultraschallmessung nicht mehr möglich.
Er beschrieb Farbtracerverfahren bei denen der Konzentrationsdurchgang am Messort erfasst und die Durchflussmenge mittels einer Summengleichung ermittelt werden kann.
Stefan Helmenstein erläuterte im anschließenden Referat verschiedene Arten von auftretenden Messfehlern wie beispielsweise Summenfehler, Garantiefehler, Verkehrsfehler.
Anhand von Versuchsergebnissen erläuterte er wie sich die einzelnen Fehler auf die Genauigkeitsangaben auswirken. Je nachdem, welches Prüfmittel zum Einsatz kommt, können sich die Verkehrswertfehler beider Messgeräte so summieren, dass bereits im Vorfeld von einer möglichen Überschreitung der 10 % Grenze (Prüfling zu Prüfmittel-Vorgabe Merkblatt) auszugehen ist.
Er ging auch auf verschiedene Möglichkeiten ein, den maximalen Durchfluss, (QMisch) zu erzeugen. Grundsätzlich können die maximalen Durchflüsse wie sie in den jeweiligen Wasserrechtsbescheiden festgesetzt sind, erzeugt werden. Der wirtschaftliche Aufwand kann dabei aber je nach technischem Aufwand bei mehreren 10.000 Euro je Kontrolle liegen. So führt das Abpumpen von Nachklärbecken, das Anliefern von Wassermengen, oder Nutzung der öffentlichen Trinkwasserversorgung u. a. zu erheblichem Aufwand.
Eine weitere Möglichkeit, bei maximalem Durchfluss zu kontrollieren, ist der Dauereinsatz des Prüfmittels auf unbestimmte Zeit bis QMisch auftritt.
Die zu (simulierende) erreichende Durchflussmenge soll in einem Bereich der am häufigsten auftretenden Durchflüsse liegen. Dieser kann anhand der Summenhäufigkeit der Trockenwetterdurchflüsse bestimmt werden. Daher kommen vor allem die Durchflussmengen in Betracht, die teilweise kleiner als 0,1 QMisch sind. Bei diesen, im Verhältnis geringeren Durchflussmengen bietet sich der Einsatz von sohlgebundenen Messsystemen eher nicht an, da bei diesen Systemen erst ab einer gewissen Fließtiefe eine ausreichend genaue Messung erfolgt. Im Wesentlichen können hier Venturimessungen mit Ultraschall, magnetisch induktive Geräte sowie radargestützte Messverfahren zum Einsatz kommen.
Helmenstein betonte abschließend, dass es stets das Ziel ist, einen Durchfluss zu simulieren, der möglichst nahe an der Mischwasserdurchflussmenge liegt. Dieses Ziel ist jedoch häufig mit wirtschaftlichen Methoden nicht erreichbar. Zumindest sollte dies stets mit in die Überlegung beim Vorgehen der Kontrollen einfließen. Jedenfalls ist die Kontrollarbeit Schritt für Schritt zu beschreiben und nachvollziehbar darzustellen, damit die Wasserwirtschaftsbehörden den Ablauf der Kontrolle und das Ergebnis nachvollziehen und im Rahmen der Eigenüberwachung ggf. freigeben können. Im Prüfbericht sind die entsprechenden Mängel an der Anlage zu dokumentieren.
Nach der Mittagspause wurden die Kontrollausrüstungen der anwesenden Sachverständigen Dr. Kuhn, Dr. Kraus, Helmenstein und Heißinger besichtigt. Hier wurde eindrucksvoll gezeigt, welcher technische Aufwand für die Kontrollen notwendig ist. In den Messfahrzeugen konnten Ausrüstungs- und Prüfgeräte besichtigt werden. Die kleine Ausstellung mit der Demonstration von Prüfmitteln und Erläuterungen durch „PSW Durchfluss“ fand sehr großen Anklang bei den Teilenehmern und führte zu vielen fachlichen Diskussionen um Ausrüstung und Prüfverfahren.
Im zusammenfassenden Schlussvortrag ging Dr. Schütter, Referat 65, auf Entwürfe zur Fortschreibung des Merkblattes ein. Insbesondere wurden seitens der Vertreter der Wasserwirtschaftsbehörden die Punkte 6.2 und 6.4. des Merkblattes diskutiert.
Dabei war festzustellen, dass der Betreiber rechtzeitig auf die für die Kontrolle notwendigen Durchflüsse in der Anlage vorbereitet werden sollte.
Bereits im Vorfeld der Kontrolle sollte über die möglichen erzeugbaren Durchflüsse diskutiert werden, damit der jeweilige Anlagenbetreiber Hilfestellung leisten kann.
Abweichungen von den Vorgaben des Merkblattes (von den Vorgaben der zu kontrollierenden Durchflussbereiche 0,1 bis 0,3 QMisch und 0,3 bis QMisch) sind differenziert zu begründen. Es sollte keine genaue Festlegung der Prüfbereiche und der Anzahl der Messwerte erfolgen. Jedoch sollen so viele Messwerte als notwendig erhalten und dargestellt werden.
Er trug die Vorschläge der Vertreter des WWA München vor, die persönlich nicht anwesend sein konnten. Hier wurden Hinweise auf die Flexibilität der Kontrollmaßnahmen im Merkblatt auf Seite 9 gegeben.
Eine differenzierte Begründung der Abweichung von den Standardvorgaben ist stets erforderlich. Das Ziel ist, die maximal mögliche Durchflussmenge zu überprüfen.
In der nachfolgenden heftig geführten Diskussion stellte sich heraus, dass die Vertreter der Wasserwirtschaftsbehörden die Zusammenarbeit mit den PSW als gut beurteilten. Durch die Veranstaltung konnten viele Unklarheiten beseitigt und viele Fragen zur Praxis der Kontrolle von Durchflusseinrichtungen beantwortet werden.
Viele Teilnehmer äußerten sich sehr positiv zum Informationsgehalt dieser Veranstaltung.
01/24 BH